Schizophren und schwerelos
- February 21st, 2013
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Heute: Dead Space 3
Dead Space 3 ist ein echter Kopfkratz-Kandidat. Ich frage mich, was die Entwickler und vor allem der Script-Autor geraucht haben, als sie das Spiel gebastelt haben, denn einige Design-Entscheidungen und vor allem Teile der Story sorgen doch für schwere Verwirrung.
Erstmal die Sachen abräumen, die leicht von der Hand gehen. Positiv überrascht hat mich der Koop-Modus. Hätte nicht gedacht, daß eine doch sehr auf Isolation und Schrecksekunden gebürstete Spieleserie das abkann. Klar, es ist was anderes wenn man sich gegenseitig Mut zuspricht oder sich anfeuert (oder dem anderen vor Schreck in’s Ohr röhrt, sorry Matthias :)) oder sich alleine durch die Korridore tastet. Läßt sich aber nichts dran rütteln: Zu zweit ist Dead Space 3 ein besseres Spiel. Das liegt natürlich zum einen am deutlichen Kräftevorteil (zwei Knarren besser als nur eine Knarre), aber viele der Rätselchen wurden elegant für zwei Spieler umdesignt und man merkt die riesigen Plotlöcher oder “Autsch”-Momente in der Story nicht so stark.
Das Spielgefühl ist auch prima geraten. Im Vorfeld wurde ja viel darüber gelästert, daß man sich jetzt mit “menschlichen” Soldaten rumärgern muß, sogar von Anbiederung an die CoD- oder Gears-Crowd wurde gestänkert, mit Cover-System und allem. Die Realität sieht allerdings anders aus. Erstens sind die menschlichen Gegner totale Waschlappen und zweitens kommen sie nicht halb so oft vor wie die nach wie vor zahllosen Necromorphs (ich will dauernd “Xenomorph” schreiben, aber das ist eine ganz andere Baustelle).
Das Geballer fühlt sich nach wie vor ganz “Dead Space” an, vorausgesetzt, man stellt in den Optionen das Verhalten des Fadenkreuzes auf “Classic”. Ich muß sagen, ich hab mich nicht eine Sekunde lang mit dem “neuen” Zielmodus beschäftigt, das Standard-Dead-Space-Zielsystem hab ich über die beiden letzten Spiele heiß und innig zu lieben gelernt, vor allem wenn’s um punktgenaues Geballer geht. Davon ist z.B. ein Resi 6 leider meilenweit weg.
Ein Bonuslob bekommt Dead Space für den Umfang. Jawohl, laßt euch das auf den vorderen Hirnlappen zergehen. Dead Space ist für einen “aktuellen” Actiontitel erstaunlich gewichtig ausgefallen. Der erste Durchgang hat - selbst mit 75% Koop-Beteiligung - satte 23h gefressen. Gut, es gibt auf dem Eisplaneten einige etwas zähere Passagen, aber selbst in den zähen Momenten ist Dead Space immer noch erstaunlich klasse. Außerdem gibt’s neben der eigentlichen Hauptstory noch einen ganzen Sack kleinerer oder größerer Nebenmissionen und natürlich die beliebte Sammelnummer, so daß Komplettisten ordentlich was zu tun haben. Und DANN gibt’s die in letzter Zeit schmerzlich vermißten freischaltbaren Goodies. New Game+ heißt das Zauberwort. Nicht nur erneute Durchgänge mit dem bestehenden Inventar sind drin, nein, man kann sich noch einigen Bonus-Modi wie “Pure Survival” oder der “Classic Challenge” versuchen, die dann noch eine Kante härter sind. Bei “Pure Survival” lassen die Monster keine Gegenstände fallen, stattdessen muß man das nehmen, was man in den gelegentlichen Kisten findet. Bei der “Classic Challenge” gibt’s einen höheren Schwierigkeitsgrad und kein Waffengeschraubsel, ist also was für masochistische Puristen.
Technisch kitzelt Dead Space einige großartige Bilder und Sounds aus der Xbox 360 heraus. Besonders schick gefällt mir z.B. der Lichtschein, der von den Helmvisieren in dunkle Gänge oder Zimmer geworfen wird und sich nach getragenem Anzug verändert. Oder das generell herrlich abgewrackte Design der Umgebung. Audio war ja schon immer eine starke Nummer bei Dead Space, und auch der dritte Teil gibt gut was auf die Ohren. Die Sprecher in der englischen Tonspur sind gut bei Stimme (nur Isaac wirkt ein wenig lahmarschig nach seiner Dead Space 2-Performance), es knarrt, ächzt und stöhnt an allen Ecken und Enden, nur so richtig fertige Sequenzen wie z.B. die Szene aus Medical in Dead Space 1 fehlen leider fast komplett.
Ach ja, erwähnenswert auch die mehrfach vorhandenen Sequenzen in der Schwerelosigkeit. Generell war das ganze “wir machen einen alten Kutter wieder flott”-Segment eins der Highlights, mit einigen schönen Momenten. Ebenfalls positiv zu erwähnen: Bis auf exakt eine Sequenz kommt Dead Space fast komplett ohne QTEs aus, wenn man das hektische “A”-Hämmern im Monster-Clinch außen vor läßt. Und die Flugsequenzen (ob jetzt im All oder später im Finale) sind auch cool gewesen.
Was mir nicht ganz so gemundet hat, sind eigentlich eher Nebensächlichkeiten:
Einer der größten Knackpunkte am neuen Dead Space ist sicherlich der Waffenbaukasten und das damt eingehende Umwerfen des Ressourcensystems. Keine Power Nodes mehr, keine Credits mehr, stattdessen darf/kann/soll man fröhlich Rohstoffe aus der Umgebung sammeln, die man an der Werkbank dann zu neuen Waffen verwurstet. Schön ist, daß auch das im Vorfeld schon beheulte Micropayment-System wirklich nur eine Option und kein Zwang ist, denn mit den reichlich auffindbaren Ressourcen und den im Spiel auffindbaren Sammelbots (die dann an bestimmten Stellen automatisch nach Verwertbarem suchen) gibt’s ab der zweiten Hälfte des Spiels keine wirkliche Not mehr.
Und um es nochmal deutlich zu sagen: Die für Echtgeld erhältlichen Ressourcen kann man - zusammen mit Luxus-Waffenupgrades - auch für im Spiel gefundene Rationsmarken bekommen. Die Ressource-Bots sammeln die Dinger und bringen sie in 3 bis 5 Stück starken Paketen mit zur Sammelstelle. Man öffnet dann das “Downloadable Content”-Menü und wählt das Ressourcenpaket seiner Wahl. Anstelle “A” zu drücken, um den Kauf mit MS-Points abzusegnen, drückt man stattdessen einfach “X” und benutzt seine Rationsmarken. Fairer Zug, EA.
Und sobald man seinen Totmacher der Wahl zusammen hat, fällt auch der Schwierigkeitsgrad rapide ab. Matthias und ich sind meistens nur dann draufgegangen, wenn ein Rätsel oder eine Renn- und Ausweichpassage zuviel auf einmal von uns wollte, aber eher selten durch klassische Monsterattacken.
Hier liegt ein wenig der Hase im Pfeffer: Es ist relativ leicht, sich eine übermächtige Knarre zu schmieden. Mein Sturmgewehr mit Raketenwerfer räumt ganze Räume mit minimalem Aufwand leer, da fällt das klassische “Gliedmaßen abmontieren” komplett hinten runter. Und das hat “Dead Space” ja irgendwie ausgemacht - mit klassischen Shooter-Taktiken war da kaum was zu machen. Aber im dritten Teil reicht es eigentlich, einem anstürmenden Gegnerhaufen einen Blob Stasis vor die Füße zu rotzen und sie dann wegzusprengen - Herausforderung geht gegen Null. Andererseits - bei dem immens angestiegenen Gegnervolumen tut es ganz gut, gelegentlich einfach mal einen Powertrip zu fahren und alles wegzuhauen.
Außerdem muß man es ganz klar sagen - die Story von Dead Space 3 ist in vielerlei Hinsicht Murks. Klar, die große, im Hintergrund laufende Nummer (Marker-Homeworld, Aliens und was das alles soll) ist gut ausgedacht und sogar mal erstaunlich leichtverdaulich präsentiert, aber leider bekommt man außer in den Datalogs und zwei, drei Cutscenes davon wenig mit. Der Fokus liegt viel zu sehr auf einer sehr komischen Beziehungskiste zwischen Isaac und Ellie, die Isaac nach den Events von Dead Space 2 irgendwann hat sitzen lassen und sich einen Neuen geangelt, der natürlich auch mit im Team ist und verdammt eifersüchtig und bla bla bla. Der Hobby-Autor in mir rümpft schon beim Setup die Nase. Außer einem “Sorry Isaac, so kanns nicht weitergehen” gibt’s keinen Hintergrund wie oder warum die beiden überhaupt auseinander gegangen sind. Außerdem hat Ellie erstaunlich wenig Probleme, Isaac wieder lieb zu haben, nachdem er gewisse Dinge angestellt hat, die ich nicht spoilern will, und Isaac’s große Liebe, Nicole, wird mit keinem einzigen Wort erwähnt. Und das Ending ist an Kitsch und Augenroll-Momenten leider nicht zu überbieten, von der lächerlichen “Post-Credits-Sequenz” ganz zu schweigen. Ein wirklich ernüchterndes Ding. Oh, und der große Plot-Twist in der Beziehungskiste deutet sich exakt in dem Moment an, in dem man Ellie das erste Mal im Spiel wiedersieht. Danach zählt man eigentlich nur noch die Minuten, bis “der Neue” Isaac in den Rücken fällt, genauso wie ich in diesem Spiel bei jeder der reichlich vorhandenen Aufzugfahrten auf den von der Decke fallenden Xeno… ähm Necromorph gewartet habe, der dann tatsächlich auch kam.
Was bleibt? Ein unterhaltsames Geballer, vor allem im Koop, mit einem nicht wirklich nötigen, aber erstaunlich spaßigen Waffenbaukasten. Kleiner Pro-Tip:
“Acid Bath” ist der Monster-Hit, vor allem mit Schrot, Granaten oder auch einer auf massive Feuergeschwindigkeit gebürstete Chaingun. Hat dann doch was von Diablo, das Ganze…
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