Stealth rückwärts, RPG vorwärts
- March 6th, 2012
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Zwei Ersteindrücke - wenn man bei einer kombinierten Spielzeit von über 45 Stunden noch von “Ersteindruck” reden kann
Erstens: Metal Gear Solid: HD Compilation (Xbox 360)
Mal davon abgesehen, daß die Auslassung des ersten MGS (damals noch für die PSOne) ein mit körperlicher Züchtigung zu strafendes Vergehen darstellt, ist das hier eine der schönsten und wertigsten HD-Wiederveröffentlichungen der letzten Zeit. Eigentlich bin ich ja der Meinung, daß solche Wiederveröffentlichungen nur eine dünne Ausrede der Publisher sind, um NOCHMAL mit einem Klassiker abzusahnen (man denke nur an die wirklich traurige Version von RE4 auf der 360), vor allem, wenn man besagte Klassiker schon für eine oder mehrere Konsolen besitzt. Aber diesmal hat es sich definitiv gelohnt. Die MGS Compilation enthält nämlich nicht die schnöden “Ur-Releases” von MGS 2 und 3, sondern die “Directors’ Cut”-Versionen von Sons Of Liberty und Snake Eater und dazu das ursprünglich nur für den PSP erhältliche “Peace Walker”, welches am drastischsten aufgemotzt wurde. HD-Auflösung, eine an zwei Analogsticks angepaßte Steuerung und ein über XBL spielbarer Coop- und Versusmodus.
Auf eins muß man sich allerdings wieder einlassen, und das ist die die dezent überfrachtete Steuerung. Metal Gear Solid 2 kam ein halbes Jahr vor dem ersten Splinter Cell raus, und viele der praktischen Steuerungskniffe (wie ein “An-Die-Wand-Kleb”-Knopf) gab bzw. gibt es nicht. Und wenn man dann gleichzeitig drei Knöpfe betätigen muß (Bewegungsrichtung, Ego-Sicht und Waffenwahl) wünscht man sich schon etwas gelenkigere Finger. Aber abgesehen davon gibt’s im Stealth/Action-Genre nichts Vergleichbares. Kojima-san spinnt eine die Jahrzehnte überspannende, filmreif erzählte Geschichte um die Angst vor dem Nuke, riesigen Mechs und geheimen Verschwörungen hinter den offensichtlichen Konflikten der Menschheit.
Zu den Spielen im Einzelnen:
Sons Of Liberty (MGS2) ist das direkte Sequel zum PSOne-MGS und führte damals, neben dezenten Erweiterungen von Snake’s Bewegungsreportoire auch noch Raiden, den blaßhaarigen Jüngling, als zweiten spielbaren Hauptcharakter ein. Die Story spielt 2007-2009 und ähnelt sowohl in der Erzählstruktur als auch im Aufbau doch stark dem PSOne-Metal-Gear. Sieht in HD unglaublich fett aus und klingt über die Box sogar noch feister, zumindest was Sprache und Musik angeht. Die Waffensounds sind eher … mäh.
Snake Eater (MGS3) war dann eine ziemliche Überraschung, denn anstelle die sehr offene Story von MGS2 fortzusetzen, hat Kojima-san ein Prequel aus dem Hut gezogen, welches auf dem Zenit des Kalten Krieges (1964) spielt. Neben den schon aus den beiden Vorgängern bekannten Stealth-Elementen wurde Snake Eater noch um einen riesigen Survival-Aspekt bereichert, in dem man sich nicht nur um Munitions- und Waffenbeschaffung, sondern auch um so grundliegende Dinge wie Nahrungsaufnahme oder manuelles Verarzten von (größeren) Verletzungen kümmern muß. Dazu ein Plot, der locker für drei James-Bond-Filme gereicht hätte, und wir haben es hier mit einem Monster von einem Spiel zu tun.
Peace Walker war dann (nach Portable Ops und Portable Ops+) das dritte PSP-Metal-Gear und das erste, an dem Kojima-san aktiv mitgewirkt hat. Es spielt zeitlich gesehen zehn Jahre nach Snake Eater. Der Protagonist aus Snake Eater (ja, ein Snake, aber nicht der gleiche Snake wie in MGS2… :)) hat mittlerweile eine eigene Söldnertruppe auf die Beine gestellt, sowas wie “Ärzte ohne Grenzen”, nur als Privatarmee, und bekommt seinen ersten Auftrag von einem KGB-Agenten, der verhindern möchte, daß die Amis Zentralamerika übernehmen und dadurch ein massives strategisches Ungleichgewicht erzeugen. Anyways, im Gegensatz zu den beiden anderen Einträgen in der Compilation sind die Areale kleiner und - für ein Handheld löblich - die Aufgaben in handliche Happen zerlegt, die zudem auch noch kooperativ zu spielen sind. Außerdem gesellt sich zum Action-Anteil noch ein gewaltiger Personal- und Ressourcenmanagement-Part, und ein an “Assassin’s Creed Brotherhood” erinnernder Truppen-Aufbau-Part dazu. Nicht schlecht für ein ehemaliges Handheld-Spiel.
Alles in allem ist die Compilation für knappe 35€ ein absoluter Pflichtkauf für alle, die MGS vielleicht erst seit Teil 4 kennen. Für mich hat es sich alleine schon wegen Peace Walker gelohnt, den ich noch nicht gespielt habe - und die HD-Ports von 2 & 3 sind ein netter Bonus. Für knapp 10€ pro Spiel kann man echt nicht meckern.
Zum zweiten: The Last Story (Wii)
Ich hab mich ja schon mehrmals verhoben, wenn es darum geht, Spiele nur nach Jubelreviews zu kaufen. GTA IV fällt mir da z.B. ein, oder aktuell Brink. Und wenn noch laut rumposaunt wird, daß der Erfinder von Final Fantasy ein neues Spiel auf den Markt gebracht hat, dann werde ich - dank meiner nicht gerade großartigen Erfahrungen mit Last Odyssey - eh vorsichtig.
Nun, soviel vorweg: Last Story ist ein tolles Spiel. Weit entfernt vom typischen JRPG, denn es gibt keine Rundenkämpfe, kaum Grind-Zwang, sogar eine Gears-artige Cover-Mechanik ist drin. Einige Leute schreien schon laut “Verrat!”, ich finde es eine nette Abwechslung zum JRPG-Alltag und erstaunlicherweise läuft es mir erheblich besser rein als das sehr weichgespülte Final Fantasy XIII. Mag sein, daß The Last Story einfach ohne pseudo-mystisches Gesabbel von l’Cieth und Fal’Cie auskommt oder die einfache Heldengeschichte besser zündet als das Emo-Teenie-Drama, keine Ahnung.
Worum gehts? Man spielt Zael, Mitglied einer sechsköpfigen Söldnertruppe, die kürzlich in einer Inselrepublik namens Lazilus angeheuert haben und nun für den lokalen Chef allerlei Aufträge erfüllen, die von Monsterbeseitigung bis zum Wachdienst reichen. Natürlich taucht auch recht bald die obligatorische Prinzessin auf, in die sich der Held prompt verknallt, und die Geschichte nimmt Fahrt auf. Eine Monsterarmee überfällt Lazilus, die Prinzessin will aus ihrer Zwangsehe raus - und die Söldner sind mittendrin. Das Ganze wird natürlich mit reichlich Pomp und Pathos erzählt, aber im Gegensatz zu den letzten Final Fantasies gibt’s dann doch mehr Spiel als Cutscenes.
Der Clou an Last Story ist das superschicke Kampfsystem. Gekämpft wird in Echtzeit und beinahe automatisch. Es geht weniger darum, zu jedem Moment die passende Attacke auszuwählen, sondern mehr um taktisches Stellungsspiel und Aggro-Management. Ja, Aggro. Zael bekommt nämlich schon recht früh eine Fähigkeit, mit der er die Aufmerksamkeit seiner Gegner exklusiv auf sich lenken kann. Klingt zuerst mal nicht sonderlich spannend, aber wenn man bedenkt, daß man so den Magiern die nötige Zeit verschafft, um ihre oft 20 Sekunden oder länger dauernden Sprüche aufzusagen, Hinterhalte auf dem Schlachtfeld legt oder so überhaupt erst ein Monster dazu bringt, seine empfindliche Seite den hauenden Schwertern seiner Kollegen zuzuwenden, macht das alles schon Sinn. Die Gears-Cover-Mechanik kommt immer dann in’s Spiel, wenn man Zaels zweite nützliche Fähigkeit - nämlich seine Armbrust - benutzen möchte, mit der man oft schnell gegnerische Magier oder auf weit entfernten Simsen platzierte Bogenschützen auszuknipsen. Dazu gibt’s noch einige taktische Kniffe wie Zaubersprüche, die nach der Explosion elementar geladene Zonen auf dem Schlachtfeld hinterlassen, die man wiederum dazu nutzen kann, die Waffen der Party mit Feuer, Eis o.ä. aufzuladen.
Normalerweise gehen mir Kämpfe in Rollenspielen ab einem gewissen Punkt auf die Nüsse, weil außer den HP-Balken der Gegner, die immer länger werden, nicht allzuviel passiert. Aber die Gefechte in The Last Story bleiben auch nach knapp sechs Stunden noch frisch und obwohl ich Echtzeitgeprügel in RPGs normalerweise eher doof finde, macht es einfach Spaß, hinter einer Säule auf einen ahnungslosen Feind zu warten und ihm eine schicke Breitseite zu verpassen.
Gut, auch The Last Story ist nicht perfekt - es ist zum einen für ein JRPG sehr kurz (angeblich um die 30h), sehr linear und wirkt in seinem Bestreben, keinen Leerlauf zu erzeugen, manchmal ein wenig ZU hektisch, aber dafür wird man mit liebenswerten Charakteren und einer für Wii-Verhältnisse wunderschönen Grafik belohnt. Nette Details nebenbei sind die fast vollständige Tonspur - wirklich fast jeder Pups wird gesprochen - und die Möglichkeit, das Aussehen der Charaktere bis fast ins kleinste Detail zu beeinflussen. Im Gegensatz zu vielen anderen JRPGs, in denen man vielleicht mal die Waffen in den Händen der Charaktere sieht, hat jeder Rüstungstyp in The Last Story auch sichtbare Auswirkungen auf den Charakter. Und mag man die Farben nicht, kann man wirklich jedes Kleidungsstück schmerzfrei umfärben. Oder man klickt - ähnlich wie in Kingdom Of Amalur - einzelne, störende Teile der Rüstung weg. Weibliche Magierin zu zugeknöpft? Einfach Jacke und Mantel “unsichtbar” schalten, und man kriegt einen neckischen Spitzen-BH zu sehen. Und wertet man die Rüstung auf, gibt’s pro Aufwertungsstufe nicht nur bessere Werte, sondern auch weitere “Extras”, die man dazu- oder wegschalten kann. Selbst wenn drei Leute aus der Party die gleichen Klamotten tragen, bekommen sie durch ihr eigenes Farbschema und die Auswahl der Accessoires ihr eigenes Erscheinungsbild.
Ein Impulskauf, der sich bis jetzt echt gelohnt hat.
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