Jetzt aber richtig! Review: NFS The Run
- February 13th, 2012
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Meine grundsätzliche Meinung zu NFS The Run hat sich auch nach Abschluß der Singleplayer-Kampagne (laut In-Game-Uhr knappe 2 Stunden 15 Minuten) nicht geändert. Solange das Spiel einen einfach “nur” Rennen fahren läßt, ist es große Klasse, sobald es auf Teufel komm raus versucht, cineastisch zu werden, gehts bergab. Aber eins nach dem anderen:
Story:
Der Hauptcharakter heißt Jack Rourke, und laut seiner Ladebildschirm-Biographie soll er wohl ein verdammt toller Racer sein, der sich “nur” mit den falschen Leuten eingelassen hat. Es wird allerdings zu keinem Zeitpunkt darauf eingegangen, was er getan hat, damit die Mafiosi im Intro ihn unbedingt tot sehen wollen. Das Spiel beginnt dann auch gleich mit einer stressigen Quicktime-Sequenz, in der man sich aus einem in einer laufenden Schrottpresse liegenden Auto befreien muß. Nach der Flucht vor den Mafiosi trifft sich Jack mit einer Schnitte namens Sam, die ihm das Angebot macht, für 90% seines Gewinns im titelgebenden Coast-To-Coast-Rennen sein kleines Problem aus der Welt zu räumen. Und das ist im Prinzip Prämisse und Inhalt des ganzen Spiels. Jack jagt also, stets angefeuert von Handy-Sam, von einer Etappe des Rennens zur nächsten, mit abwechselnd den Cops oder den Mafiosi an der Heckstoßstange. Charakterentwicklung: Fehlanzeige. Interessante Nebenrollen? Nah, die Handvoll “Rivalen” bekommen gerade mal kurze Zwischensequenzen und Ladebildschrim-Bios, aber noch nicht mal Sprechrollen. Und den Text, den Jack im Spiel von sich gibt, bekommt man problemlos aus einem Post-It-Zettel unter, ohne sonderlich eng schreiben zu müssen. Wer also eine tolle, emotionale Story will, sollte sein Glück lieber woanders suchen, gegen NFS The Run dürften 90% aller Actionfilme der letzten paar Jahre wie schweres griechisches Drama wirken. Und das Ende schreit natürlich förmlich nach “The Run 2: Run Harder!”
Gameplay:
Hier muß ich ein wenig ausführlicher werden. Die Fahrphysik ist, NFS-typisch, auf maximalen Bleifuß angelegt, komplett unrealistisch, aber in sich kohärent. Wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, mit durchgetretenem Bleifuß durch Haarnadelkurven zu bretten, nur gelegentlich mal die Handbremse zum Powersliding touchierend, bekommt ordentlich Vollgas für’s Geld. Die verschiedenen Autotypen (Musclecars, Tuner-Schüsseln und Supersportler/Exoten) haben jeweils ihr eigenes Fahrverhalten und sind auch im Großen und Ganzen ausbalanciert. So weit, so gut.
Wo das Spiel allerdings wieder enttäuscht, gerade im Direktvergleich zum direkten Vorgänger NFS Hot Pursuit, sind die Strecken. Anstelle den nächsten logischen Schritt zu gehen und tatsächlich 3000 Meilen mehr oder weniger echter Straße nachzubilden, gibt es ungefähr 20 Strecken in sechs Umgebungen, die fröhlich durchgemischt werden. Da fährt man z.B. die Schrottplatz-Strecke aus dem Intro im letzten Drittel des Spiels nochmal, nur als längere Etappe und bei Tageslicht. Und wie oft die Highway/Interstate-Strecke recycled wird, hab ich beim besten Willen nicht mitgezählt. Und zu allem Überfluß sind die Streckenabschnitte auch noch erschreckend kurz - selten mehr als 5 oder 6 Kilometer. Das konnte NFS Hot Pursuit viel besser.
Auch bei den Event-Typen wurde gemauschelt. Es läuft ja alles darauf hinaus, daß man am Ende der Story auf Platz 1 landet. Und so darf man sich den Großteil des Rennens durch anonyme Gegnerhorden nach vorne boxen. Das erinnert mich an Autorennen ca. 1986, so wie Konami’s “Hyper Rally” auf dem MSX oder “Out Run”. Um die Monotonie ein wenig aufzulockern, gibt’s dann noch eine dezente Variation des Themas in den sogenannten “Battle Races”. Hier kommt zur abartigen Gummiband-KI noch ein Zeitlimit hinzu. Das Prinzip ist aus den “Touge”-Rennen von NFS Carbon oder auch Race Driver GRiD bekannt - unter Zeitdruck einen Gegner einholen und dann die Führung halten. Hin und wieder gibt’s auch reine Zeitrennen gegen die Uhr - normalerweise meine persönliche Hass-Disziplin, hier eine angenehme Erholung von Gummiband-KI und nervigem Geskripte.
Was allerdings in allen Renntypen gleich bleibt, ist die grenzwertige Kollisionsabfrage und die sehr zufällig wirkende Definition der Streckenränder und Randobjekte. Mal kann man Straßenlaternen fröhlich reihenweise umlegen, mal sind sie mit der Haltbarkeit von Brückenpfeilern gesegnet. Mal kann man 30 Meter von der Strecke abkommen, den Wagen wieder einfangen und zurück auf die Straße kommen, mal reichen zwei Zentimeter neben dem Randstreifen und man wird automatisch resettet. Und weil alle Welt mittlerweile das Zurückspulen in Rennspielen hat, muß NFS da natürlich mitziehen. Nur: Auch hier wird wieder gemogelt. Baut man einen Unfall oder kommt gelegentlich zu weit von der Straße ab, blinkt ein großes “<<”-Symbol auf und man bekommt suggeriert, das Spiel spule elegant zurück. Nur kaschiert das eine Ladezeit. Wer beim Fahren genau hinschaut, sieht nämlich das alle paar Hundert Meter mal ein Checkpoint gesetzt wird. Und weiter als bis zum letzten Checkpoint darf man auch nicht resetten. Es läuft also auf Extraleben hinaus, und zwischen den ganzen Objekten, an denen man hängenbleiben kann und den Skriptsequenzen, die man nicht sekundengenau befolgt, verschwinden die schneller als eine Chipstüte bei einer D&D-Runde.
Denn als ob man mit der teilweise unfairen KI nicht genug zu tun hat, müssen Black Box dafür sorgen, daß man sich immer schön mitten in einem Blockbuster fühlt. Angefangen von den obligatorischen Polizeiverfolgungsjagden, die immer nach dem gleichen Schema ablaufen. Zuerst ein paar Cops im Nacken, dann, wenn die Cops hinter einem keinen Stich machen können, mit sich querstellenden “rolling roadblocks”. Ab der Mitte des Spiels kommen dann noch die Mafiosi zurück, die wüst ballernd durch die Gegend cruisen, Hubschrauber inklusive. Und natürlich keine Cops weit und breit, wenn man sie braucht. Das macht aus einem eigentlich brauchbaren Raser eine Übung in Frustresistenz. Ich habe mehr Zeit damit verbracht, KI-Schlupflöcher und Skripte auswendig zu lernen, als richtig Rennen zu fahren. Und oft genug verbünden sich alle drei Faktoren zu Frustspiralen aus der Hölle. Die Gummiband-KI zieht an einem vorbei, die wild ballernden Mafiosi-Autos zerbröseln das eigene Auto, und dann bleibt man noch an einer Big-Mäc-Tüte auf dem Bürgersteig hängen. Wenn man dann zurück auf die Strecke resettet wird, nach der obligatorischen, knapp 20 Sekunden dauernden Ladepause, sieht man meist nur noch die Rücklichter der davonzischenden Raser und kann das Event eigentlich auch gleich nochmal von vorne beginnen.
Was mir jetzt gar nicht so nervig aufgestoßen ist, waren die Quicktime-Sequenzen. Zum einen gibt’s gerade mal drei Stück im ganzen Spiel, und jede von ihnen ist weniger als eine Minute lang. Zu wenig, um sich richtig drüber aufzuregen. Da kratzen mich die oben angerissenen Ärgernisse erheblich heftiger.
Es ist fast schon ironisch, daß das gleiche Spiel abseits der Hauptstory richtig Laune macht. Das Autolog-Feature ist suchtfördernd wie eh und je, die Challenge-Serien mit ihren verschiedenen Aufgaben machen - von der teilweise echt grenzwertigen KI abgesehen - richtig Laune, und nimmt man das KI-Element per Multiplayer komplett raus, hebt das Spiel richtig ab. Da macht das natürlich ebenfalls obligate Level-System sogar richtig Laune, denn neben dem klassischen “werde Erster” gibt’s für jedes Rennen noch eine Handvoll Nebenaufgaben wie “10 Sekunden Top Speed” oder “5x knapp am Gegenverkehr vorbei”, die bei Erfüllung mit neuen Autos belohnen. Und sollte man sich mit bis zu drei Gleichgesinnten in den Multiplayer-Part stürzen, gibt’s sogar noch Extra-Aufgaben für die gesamte Meute zu erfüllen. Simple Idee, grandios implementiert.
Deswegen meine Empfehlung zu “The Run”: Warten, bis es in der Pyramide liegt, die Hauptstory auf “Easy” durchbeißen (hab nach der Halbzeit, als die Rennen nur noch frustig wurden, auch runtergedreht) und dann Challenges/Multiplayer zocken.
Codemasters, warum “leiht” ihr Euch diese Idee nicht aus? 3000 Meilen Straße sollten nach “FUEL” doch kein Problem mehr darstellen, oder?