Langeweile im Wasteland
- December 7th, 2011
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Das ist kein richtiges Review, sondern eher eine Zusammenfassung meiner Gedanken zu den ersten paar Stunden Rage. Hatte mir die Demo gezogen und war eigentlich recht angetan davon, vor allem von der tollen englischen Sprachausgabe und dem netten Waffen- und Muni-Arsenal. Ich mag halt Wasteland-Apokalypse-Fantasien.
Wer keine Lust hat, sich durch mein Gemecker zu lesen, nimmt bitte das hier mit: “Ich wäre sooooo gerne Borderlands, scheitere aber leider komplett an meinem Anspruch”.
“Rage” heißt ja wortwörtlich übersetzt “Zorn, Wut”. Und das fing sogar schon vor dem ersten Spielstart an. Zettelchen abtippen, 348 MB DLC auf die Platte nudeln, Tee kochen, Spiel anschubsen.
“Applesz-vous Start”.
Fuck.
Also wieder zurück zum Dashboard, die Xbox auf Deutsch umstellen, dann nochmal loslegen. Die deutsche Sprachausgabe ist jetzt kein totaler Rohrkrepierer, leidet aber unter dem Bethesda-typischen Sprechermangel (Randnotiz: Die englische Tonspur von Skyrim hat mehr Sprecher unter “Misc. Voices” als die deutsche und italienische Version zusammen im gesamten Cast!).
Kurzer Schlenker zur Story: Die Erde wird von einem ziemlich fetten Asteroiden getroffen. Kurz vorher werden Leute auf Eis gelegt, die “danach” wohl die Zivilisation wieder aufbauen sollen. Keine Ahnung, mehr Exposition gibt’s nicht und die gesamte Intro- und Auftausequenz nimmt weniger Zeit in Anspruch als die “Säuglings-Phase” im Intro zu Fallout 3. Und ein kleiner Tip, um nicht fluchend den Controller an die Wand zu tackern: Rage möchte gerne old-school sein, deswegen gibt’s kaum Autosaves. Nur wenn man von einem Areal ins nächste wandert, wird mal zwischengespeichert. Und da man schon relativ früh relativ heftig sterben kann, wenn man nicht genau auf die Minikarte guckt, sollte man als allererstes nach Verlassen der Vaul… äh Arche MANUELL SPEICHERN, sonst darf man sich das alles nochmal antun.
Nun ja, auf jeden Fall wird man innerhalb der ersten zehn Minuten nach Verlassen der Kühltruhe zum inoffiziellen Laufburschen des Wasteland erkoren und darf, ähnlich wie in Borderlands oder auch Fallout, von einem fröhlich labernden NPC zum nächsten latschen und Aufträge sammeln. Nur bekommt man im Gegenzug dafür mal keine Erfahrungspunkte, sondern höchstens mal ein paar Dollar oder eine neue Puste. Wo ist da “Rollenspiel” drin? Charakter-Evolution findet nur insofern statt, als daß man einfach neue Schießprügel bekommt. Also könnte man auch sagen, daß DooM ein Rollenspiel ist. Und hat man denn einen (oder mehrere) Aufträger an der Backe, kesselt man munter durch das erstaunlich leblose Wasteland, bis man am Eingang zum nächsten Level parkt. Ja, ist nix mit “Open World”, wie eigentlich vollmundig angekündigt. Vor allem die “Innenlevel”, in denen das meiste Geballer stattfindet, sind klassische Schläuche. Gut, hier und da ist mal ein klitzekleines Easteregg versteckt (wie die Wolfenstein-, Doom- und Quake-Räume (wobei ich nicht sicher bin, ob die es auch in die angelich “100% uncut”-DE-Version geschafft haben)), aber selbst das ehrwürdige Doom hatte mehr Erforschungs-Möglichkeiten als Rage.
Die Fahrerei mit den Buggies ist zwar ein nettes Gimmick, aber es hätte auch nicht wehgetan, wenn sich dieser Aspekt auf den reinen Transport von A nach B konzentriert hätte. Andere Autos spawnen nur in bestimmten, eng abgesteckten Gebieten, und die Rennen finden nur in hermetisch abgeriegelten Arenen statt.
Was mich aber wirklich ärgert, ist das komplett verkorkste Balancing. Die Schießprügel fühlen sich allesamt komplett underpowered an und selbst Headshots erledigen einen Feind nicht sofort, man muß wirklich ein halbes Magazin in den Kopf des Gegners pumpen, damit er umkippt. Aber warum unnötig rumballern? In der ersten Siedlung erhält man nämlich Zugriff auf die lokale Art der Feindbeseitigung - die Wingsticks. Zielsuchende, jeden menschenähnlichen Gegner lautlos und mit einem Treffer erledigende Bumerangs. Fünf Stück für 25 Dollar oder im Selbstbau. In drei von fünf Fällen kommen die Dinger zurück und sind wiederverwertbar. Wozu Muni verpulvern? Ein Wingstick, ein Kill. Macht effektiv alle anderen Waffen, die auch noch verziehen, quasi nutzlos. Bis auf die Snipe für extrem weit entfernte Ziele, aber die hatte ich bis jetzt nur ein einziges Mal benutzt.
Geld ist auch kein Problem. In der zweiten großen Siedlung gibt’s nämlich ein kleines Brettspiel namens “Tombstone”. Im Endeffekt ein mit Holo-Mutanten aufgewertetes Würfelspiel. Die Chancen sind so verteilt, daß man fast immer das Vierfache, manchmal sogar das Zehnfache das Einsatzes rausholen kann. Und selbst wenn das Limit bei 25 Dollar liegt, kann man so innerhalb von ein paar Minuten genug Kohle verdienen, um mit einem ganzen Rucksack von Wingsticks auf die Jagd zu gehen.
Diese Merkwürdigkeiten ziehen sich auch in den Renn-Teil des Spiels.
Es fängt mit einer unglaublich nervigen Gummiband-KI an. Egal wie gut ich fahre, egal daß ich meinen Turbo auf der Geraden ausgelutscht habe, kaum gehe ich mal auf die Bremse, klebt mir das ganze Feld am Arsch. Okay, dann halt mit Waffen und die Gegner wegballern.
Haha, wäre ja zu einfach.
Warum bitte gibt’s Rennen mit Waffen, wenn der Wagen, den ich mühevoll pulverisiert habe, keinen Nachteil dadurch erfährt? “Er geht doch kaputt!” kommen die Stimmen aus dem Off. Klar geht der kaputt. Aber er respawned VOR MIR. Jedes Mal. Nur wenn ICH draufgehe, darf ich zusehen, wie das ganze verdammte Feld an mir vorbeizieht.
Und dann noch die Aufträge. Man wird fröhlich von einem NPC zum nächsten gescheucht und man kann sich darauf verlassen, daß, wenn der eigentliche AUftrag lautet “Geh zu Rikter und hol Medizin” daraus ein “Geh nach X und töte Y” wird. Jedes. Mal.
Also, was bleibt? Das Geballer ist öde, weil durch die Wingsticks die ganzen postapokalyptischen Totmacher entwertet werden. Das Rumgerase - sofern man nicht unbedingt Rennen fährt - reduziert sich auf zügiges Bewegen von A nach B und die Story? Du bist der Archen-Bewohner, und irgend eine Regierung sucht nach dir. Und bis sie dich gefunden hat, kannst du ja alle Probleme der Ödländer im Alleingang lösen.
Leute, wenn ich arbeiten will, nehm ich mir einen Job, klar? In der Zwischenzeit habe ich Rage erstmal unter Saint’s Row, Lord Of The Rings und Skyrim einsortiert. Ich kann mir eh nicht vorstellen, daß jemand Multiplayer spielen will…
Ach ja, Rage IST hübsch. Aber sehr statisch. Dank der “Megatextur”-Technik kann man wunderschöne Felslandschaften zaubern, aber die Umgebung weist nur ein absolutes Minimum an Interaktivität auf. Es gibt haufenweise Fernseher, Glasscheiben oder Vasen, aber nix davon kann man kaputt machen. Da bietet sogar Borderlands mehr.
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