“Hallo, mein Name ist Beast, und ich habe heute meinen 2500. Ork gekillt”.
Mensch, was hab ich mich auf Warhammer 40.000 - Space Marine gefreut. Vor knapp zwei Jahren als Action-Rollenspiel von den Machern der Dawn-Of-War-Spiele angekündigt, sollte das die totale Vollbedienung für Warhammer-Fans werden, die mal was anderes als ein Echtzeit-Taktik-Gedöns spielen wollen. Dann, so gegen Mitte letzten Jahres, der erste Dämpfer. Aus Space Marine wurde ein reinrassiges Action-Geballer. Aber egal, der Fanboy in mir hat trotzdem schonmal das Kettenschwert warmlaufen lassen. Was kann schon schiefgehen? Immerhin darf man mal einen SPACE MARINE zocken, was nach dem mehr als unterirdisch miesen “Fire Warrior” endlich ein Schritt in die richtige Richtung war.
Tja, und jetzt habe ich Space Marine seit letzten Freitag in meiner Box liegen und bin mächtig ernüchtert. Vielleicht war es keine gute Idee, vorher Gears Of War 3 zu spielen, denn im Vergleich mit Epics Epos kommt Space Marine leider sehr, sehr dünn rüber.
Heutige Shooter sind ja leider Schlauchlevel-Spiele, da beißt die Maus keinen Faden ab. Aber so sehr nach Schema F gestrickte Levels sind sowohl einem spannenden Spiel als auch der Quelle total abträglich. Und im Gegensatz zu Gears schafft es Space Marine leider nicht, den Spieler wirklich bei den Eiern zu packen und mitzureißen. Viele Gegner gleichzeitig versprechen eben noch keine Dramatik, und Space Marine kennt leider nur zwei Tonlagen - entweder ganz ruhig oder VOLLÄ PULLÄ! Da hilft es auch nicht, daß die Story sehr, sehr dünn ist, selbst für eine WH40K-Erzählung. Eine Ork-Horde greift einen Planeten an, auf dem wichtige Kriegsmaschinen gebaut werden, die totale Einäscherung ist wegen besagter Produktionsanlagen nicht drin, deshalb werden ein paar Space Marines auf den Planeten geworfen, die die Sauerei aufwischen sollen. So weit, so bekannt. Und dann kommt erstmal … nix. Ungelogen. Die ersten zwei Stunden verbringt man damit, brav von A nach B zu laufen und Heerscharen von Orks umzubügeln, bis mal ein NPC auftaucht, der mal mehr als “HILFE!” sagt und die Story ein wenig vorantreibt. Aber auch das ist nur ein kurzes Aufblitzen, denn danach verbringt man die nächsten Stunden damit, WIEDER von A nach B zu laufen und Orks umzulegen. Und leider ändert sich das auch nicht groß, denn als Space Marine hat man nur exakt zwei Möglichkeiten, mit den Orks umzugehen. Entweder man haut sie oder man schießt sie tot. Klar, die Orks bekommen neue Waffen (von der Axt zur Knarre zum Raketenwerfer) und gelegentlich neue Truppen, aber Ork ist Ork. Wo Gears es schafft, durch konstant wechselnde Schlachtfelder und Feindtypen die Feuergefechte stets abwechslungsreich zu gestalten, latscht man bei Space Marine durch die ewig gleichen braun-grauen Locations und schnetzelt sich durch die ewig gleichen Gegner. Ich weiß, ab einem gewissen Punkt soll ja das CHAOS ins Spiel kommen, aber damit hätten wir eine ZWEITE Horde von ewig gleichen Gegnern. Space Marine dürfte so ziemlich das erste Actionspiel sein, welches mich tatsächlich langweilt. Nicht, weil es so einfach ist - im Gegenteil, die Kämpfe sind chaotisch, hektisch und - zumindest für mich - auf NORMAL eine absolute Glückssache. Denn im Gegensatz zu Gears und Konsorten kann der Held mal NICHT seine Lebensenergie automatisch regenerieren, sondern muß dazu einen betäubten Gegner mit einem Finisher abfrühstücken, was ihm einen neuerlichen Energieschub gibt. Alles schön und gut, einen Keks für Innovation, aber warum zum Teufel darf ich in einem Spiel, welches so stark auf Nahkampf geht, NICHT BLOCKEN?! So läuft es nämlich darauf hinaus, daß man sich fröhlich in eine Gegnerherde reinschnetzelt, aber natürlich erwischt man nicht alle Gegner. Die Überlebenden umzingeln einen und bevor man sich versieht, sind Schild und Lebensenergie kritisch und man muß mal eben einen Gegner exekutieren, was der Rest der Meute zum finalen Todeshieb ausnutzt.
“Aber Beast, warum erschießt du die Gegner nicht einfach?” Zwei Dinge machen das nicht so einfach. Erstens haben die Orks im Spiel eine Schwarm-Mentalität und rennen wie die Irren auf einen zu und - viel schwerwiegender - sind die Schußwaffen erschreckend ineffektiv. Der Standard-Bolter, in den Büchern die be-all-end-all-Waffe der Marines, hat ein lächerlich kleines Magazin für die Schußfrequenz, Nachladen dauert genau so lange, bis man das ganze Visier voller Ork hat, und bei den anderen Waffen tauscht man Durchschlagskraft gegen NOCH kleinere Magazine und NOCH längere Nachladezeiten. Es ist klar, daß die Designer den Spieler in den Nahkampf bugsieren wollen. Der ist simpel, aber funktionell. Ein leichter Angriffsknopf, ein harter Angriffskknopf, verschiedenen Kombinationen aus leicht und schwer erzeugt mehr oder weniger nützliche Kombos. Aber wie gesagt - warum darf ich nicht blocken? Space Marines gelten als Meister der Kriegskunst, und auch wenn Orks nur Kanonenfutter für sie sind, sollte ein gewisser Überlebenstrieb schon drin sein. Und wenn sich 40 Orks brüllend und mit Kettenmessern und Äxten auf mich schmeißen, wäre das vernünftigste Vorgehen, doch erstmal ein paar davon abzublocken. Ist nicht.
Daher sterbe ich recht oft, was mit den nächsten beiden Ärgernissen einhergeht. Die Checkpoints sind, vorsichtig ausgedrückt, verdammt weit voneinander entfernt, da können zwischen zwei Checkpoints mal locker 20 Minuten ins Land ticken, was gerade dann ärgerlich wird, wenn man einen Kampf aus mehreren Feindwellen an der Backe hat und in der letzten, heftigsten Welle versagt. Also wieder zurück auf Anfang, inklusive mindestens zweiminütiger Ladezeit, dann wieder zum Ort des Geschehens wackeln und das Beste hoffen. Und alle Welt beschwert sich darüber, daß Dark Souls frustig wäre? Versteh’ ich nicht, das hier macht mich erheblich ärgerlicher.
Es kommt wirklich selten vor, aber ich habe mehr Spaß am Multiplayer als an der Singleplayer-Kampagne. Und das, OBWOHL es (gähn) ein Level-System mit freischaltbaren Waffen, Upgrades, blablabla gibt. Wenigstens kommt durch das menschliche Element ein wenig Spannung und Abwechslung ins Spiel. Und der seit gestern für - gasp! - umsonst erhältliche Coop-DLC macht eine Menge Laune, denn geteiltes Leid ist halbes Leid und die rauhen Gegnermassen bringen einen ähnlichen Streß-Spaß-Faktor wie der Zombie-Modus bei Red Dead Redemption. Aber auch hier macht sich wieder ein “Hä?” breit. Es gibt grade mal eine Handvoll Karten und exakt zwei (mit dem Coop-Dingen drei) Spielmodi, aber einen in seinem Umfang total überdimensionierten Customizer. Man kann wirklich jeden Aspekt seiner Online-Figur anpassen (nachdem man natürlich genug Levels erreicht oder Online-Partien gespielt hat, ächz), vom Stil der Rüstung über die Farben bis hin zu den Kompanie-Abzeichen. Netter Fanservice, aber ähnlich wie bei Brink totaler Overkill für den dünnen Multiplayer.
Technisch ist Space Marine absolut OK. Die Grafik bietet herrlich monumentale Architektur in den Außenbereichen und strunzlangweilige Korridore in den Innenlevels, der Soundtrack ist leider so leise abgemischt, daß man von den fetten Orchesterstücken vor lauter “WAAAAAGH!” und Waffengeräuschen kaum was hört und die Sprachausgabe ist passend und ebenfalls viel zu leise. Dafür knallen die Waffen tierisch laut, und das bösartige Knattern eines Kettenschwerts gehört zu den wenigen Dingen, die das Spiel 100%ig hinbekommt.
Den nächsten Absatz können non-40k-Jünger getrost überspringen, hier gehts um Dinge, die sich nicht mit dem Universum decken. Nerdrage also
- Die Ultramarines (also die hier die Hauptrolle spielende Marine-Abteilung) gelten als die striktesten Anhänger des Codex Astartes, also der Space-Marine-Militärdoktrin. Das Problem dabei ist nur, daß sie als Charaktere nicht viel hermachen. Sie sind sozusagen die absolut professionellen Berufssoldaten. Nur der gute Captain Titus möchte soooooooooo gerne ein kerniger Actionheld sein. Es hätte so einfach sein können. Ein Marine-Chapter wie die Space Wolves auswählen, die für ihren unorthodoxen Kampfstil bekannt sind und gut ist.
- Für eine Planetenbefriedung sollte man mehr als nur EINE Squad einsetzen, vor allem, wenn die Umstände nicht klar sind. Auch im Kontext einer großangelegten (für Marine-Verhältnisse) Militäraktion hätte das Spiel Sinn gemacht und es hätte einige fantastische Möglichkeiten für Panzerschlachten oder gar Flugeinlagen gegeben, die über das mittlerweile zum Einschlafen generische “Gunner in Hubschrauber-Tür” hinausgegangen wären.
- Die Marines sind zu langsam. So ziemlich in jedem Roman mit Marines drin wird explizit darauf hingewiesen, daß nur die Space Marines in der Lage sind, sich in der Power Armor mit der gleichen Leichtigkeit und Flinkheit zu bewegen wie ein nackter Mensch. Im Spiel? KLUNK! KLUNK! KLUNK! bei jedem langsamen, wuchtigen Schritt. Springen? Ist nicht. Geschärfte Sinne? Ist nicht - ein einfacher Staubsturm macht einen de facto blind. Und von den ganzen Goodies wie Zielmarkierern oder Radar, die zum Standard eines Space Marines zählen, keine Spur. Oh, BTW, keine Minimap und nur zufällig aufploppende Wegpunktmarkierer. Nerv.
- Und wo wir schon bei der Power Armor sind: Man stirbt zu schnell. Natürlich muß ein Spiel eine gewisse Herausforderung bieten, aber daß man nach drei Hieben mit einer popeligen Steinaxt schon kurz vor Exitus steht, widerspricht so ziemlich allem, was im 40K-Universum zu lesen ist.
So, ab hier können wieder alle mitlesen.
Bisher war Space Marine eine maßlose Enttäuschung für mich, schlimmer sogar als Brink. Die Zutaten haben durch die Bank gestimmt - ein Entwickler mit einem Händchen für das Setting und eine eigentlich unkaputtbare Lizenz. Aber der Blick auf den Mainstream und die Call-Of-Duty-Fanscharen haben das Spiel zu einer Schema-F-Nummer werden lassen, die komplett ohne wirkliche Höhepunkte auskommt. Es ist sicherlich kein totaler Rohrkrepierer wie Brink, aber außer Shooter-Komplettisten oder 40K-Fanboys kann ich Space Marine niemandem empfehlen. Es hätte so geil werden können…