Das mag jetzt überraschend klingen, aber ich finde Arkham City ziemlich zwiespältig und mag mich den Jubelorgien der Fachpresse nicht ganz anschließen.
Bevor ich mir den Asbest-Batsuit überstülpen und jede Menge Hate-Mail ertragen muß: Nein, Arkham City ist nicht wirklich schlecht, aber es ist in meinen Augen (leider) weit von einem Überhammer entfernt. Es sind viele Kleinigkeiten, die mir das Spiel versalzen, und um das hier nicht übermäßig in die Länge zu ziehen, haue ich das alles gleich mal raus.
Erster Punkt: Mehr ist nicht zwingend besser. Mir gingen schon in Arkham Asylum die “Massenschlachten” mit mehr als vier, fünf Gegnern gleichzeitig extrem auf die Nüsse. Die sind in Arkham City eher die Norm als die Ausnahme. Spielt man defensiv und kontert so viele Angriffe wie möglich, dauern die Gefechte zwei Ewigkeiten, und es ist nichtmal gesagt, daß man unfallfrei daraus hervorgeht. Spielt man eher offensiv und versucht, so viele Fieslinge so schnell wie möglich auszuknipsen, kann man davon ausgehen, windelweich geprügelt zu werden. Erschwerend kommt auch noch hinzu, daß Batman, obwohl er jetzt leichtfüßiger und flinker geworden ist, für einen “Ground Takedown” unglaublich lange braucht und diese verdammte Animation nicht abzubrechen ist. Daher laufen die Kämpfe für mich auf Geduldsübungen hinaus. Dankenswerterweise ist die Eisgranate ein probates Mittel, um zumindest EINEN Fiesling dauerhaft zum Stillhalten zu bewegen. Und die kunterbunte Durchmischung von Messerstechern, Rüstungsträgern, Schildträgern, Schockstab-Schwingern und Knarrenfuzzis sorgt dafür, daß aus einem vielleicht für Batman alltäglichen Faustkampf ein für mich extrem nerviger Clusterfuck wird, da jeder einzelne Gegnertyp eine eigene Takedown-Taktik verlangt. Klingt ja auf dem Papier ganz nett, aber in der Praxis? Kontere ich jetzt mit Y den Baseball-Schläger? Drücke ich B-X-XXXXXX, um den Rüstungsheini zusammenzuhauen? Dadurch kriege ich natürlich den Basi über die Rübe und - fuck - der Typ mit dem Schild ist mir auch noch reingegrätscht. Und einzelne Gegner isolieren und ausschalten wie in Arkham Asylum kann man auch vergessen, weil wirklich ALLE Gegner wie ein Schwarm Piranhas an Batmans Cape kleben. Argh.
Zweiter Punkt: Warum eine Sandbox? Ich bin prinzipiell ja pro-Sandbox eingestellt, aber der Sinn bei Arkham City will sich mir nicht wirklich erschließen. Man verbringt nämlich die meiste Zeit in vorgeschriebenen, linearen Passagen und ein wirklich freies Erkunden der Stadt ist auch nicht drin, da viele Locations Gadget-abhängig versiegelt sind. Das wiederum torpediert die eigentlich coolen Nebenmissionen. Fallbeispiel: Schon recht früh im Spiel trifft man Bane aus Arkham Asylum wieder, der Batmans Hilfe beim Finden und Zerstören von Chemikalientanks braucht. Nur: Viele der Tanks sind in Gebäuden untergebracht, die man mangels spezieller Gadgets oder -upgrades nicht betreten kann. WTF?
Und wo wir schon bei der Levelstruktur sind: Wenn man mal die ganzen Rätsel und Nebenaufgaben beiseite läßt, reduziert sich Arkham City auf exakt zwei Spielmodi: Entweder die oben erwähnten Prügeleien oder die Stealth-basierten “Predator”-Challenges, und das auch noch in ziemlich vorhersehbarer Reihenfolge und teilweise extrem konstruierten Umständen. In einer Sequenz zum Beispiel will ich aus der Unterwelt Arkhams entfliehen und betrete einen Bereich, den ich ein paar Stunden vorher wegen einer anderen Mission schonmal durchquert und feindfrei gemacht habe. Storytechnisch gehts darum, so schnell wie möglich raus aus den Tunnels und zu einem gewissen NPC zu eilen, damit er mir ein Heilmittel mixt. Also wäre der LOGISCHE Weg, jeder Konfrontation aus dem Weg zu gehen und so schnell es geht abzuhauen. Aber nein, stattdessen muß ich erstmal einen ganzen, ziemlich großen Raum ausräuchern. Einfach leise, still und heimlich abhauen ist nicht drin. WTF? Da stellt sich wieder die Frage nach Sinn und Zweck einer Sandbox, wenn man einer Konfrontation nicht mal aus dem Weg gehen kann. Der gerade beschriebene Moment ist kein Einzelfall - ab einem gewissen Punkt im Spiel kann man schon voraussagen, daß hinter der nächsten Tür wieder eine Predator-Challenge oder eine Prügelei auf einen wartet - kurz den Bat-Scanner anmachen und die Gegner angucken. Orange = Predator, Blau = Prügelei. Schade, das hat Arkham Asylum besser hinbekommen. Mir fehlen vor allen Dingen die clever designten Stealth-Momente, wie zum Beispiel die Szene, in der Harley Quinn Comissioner Gordon als Geisel hatte und man einen Raum absolut lautlos befrieden sollte. In Arkham City passiert sowas zwar auch ein paar Mal (ein Fiesling schnappt sich eine Geisel und man muß ihn lautlos zu Boden bringen), aber irgendwie fehlt diesen Momenten die Dramatik des Vorgängers.
Viertens: Bossfights. Need better Bossfights. Der gegen Mr. Freeze war super, der gegen einen gewissen unsterblichen Schwertschwinger zumindest verdammt gut inszeniert, aber daß der gegen Joker zu einer 08/15-Massenschlägerei mutiert, fand ich schon ziemlich mäßig. Und die finale Begegnung mit Hugo Strange war regelrecht ernüchternd. Ich hoffe doch, daß das finale Finale da noch ein paar Schippen draufpackt.
Fünftens: Mir ist die Story zu wirr. Es wird auf Biegen und Brechen versucht, so viele Batman-Gegner wie nur irgend möglich ins Spiel zu zwängen, und so wimmelt es für meinen Geschmack vor diesen konstruierten “AHA! NEUER FIESLING!”-Momenten. Das erinnert mich an schlechte D&D-Spielleiter, die spontan mal ihre Kämpfe um einen bis zwei Drachen aufstocken, wenn die Goblins es nicht gepackt haben, die Helden hinzumeucheln. Da fehlt mir der langsame, kontrollierte Aufbau eines Arkham Asylum. Da war Joker der große, omnipräsente Fiesling und die anderen nur Stolpersteine in Batmans Weg. Mag sein, daß ich als “nur-Casual-Batman-Leser” die Signifikanz eines Hugo Strange nicht mitbekomme, aber mir fehlt diese Unmittelbarkeit. Die meiste Zeit bekomme ich von Strange nur ein paar genuschelte Durchsagen mit, der einzige “Buildup” ist das ominöse “Protocol Ten will commence in X hours”, stattdessen renne ich an einer Leine von einem Fiesling zum anderen… Nee, nicht wirklich zwingend.
Sechstens: Ich will eine manuelle Save-Funktion. Zumindest beim Verlassen des Spiels wäre es schön. Ich hatte jetzt schon mehrere Momente, an denen ich das Spiel beendet hatte, nur um plötzlich entweder am anderen Ende der Stadt oder vor einer eigentlich schon geschafften Passage wieder ins Spiel gesetzt zu werden. Nix gegen Autosaves oder Checkpoints, aber ist es denn wirklich zuviel verlangt, beim “Quit” mal NICHT “You will lose all unsaved progress” lesen zu müssen?
Zu guter Letzt noch ein Wort zum DLC-Overkill. Sagt mal Warner, SPINNT IHR? Warum muß ich mir vorm ersten Spielstart knapp 500 MB herunterladen (knappe 300 für Catwoman, knappe 200 für Robin)? Meine Meinung zu Online-Pässen und DLC ist ja hinlänglich bekannt, aber hier wirds langsam echt abstrus. Die Catwoman-Episoden sind brilliant in die Story eingeflochten, da kann man nix sagen. Umso verwirrender ist es, daß dieser Part nicht von vorneherein auf der DVD ist. Und über den Sinn und Unsinn von DLC-Only-Charakteren, die nur in den Challenge-Modi zu spielen sind, läßt sich auch vorzüglich streiten. Früher war eh alles besser und freischaltbare Charaktere oder Kostüme ein Extra-Bonus zur Beendigung des Spiels.
Aber genug gemeckert. Technik, Inszenierung und der Batman-Faktor sind unglaublich gut geworden, die englische Tonspur ist vorzüglich und viele kleine Details (wie die unterschiedlichen Musikstile für Bats und Catwoman) zeigen, daß hier mit viel Liebe zum Detail gewerkelt wurde. Eins meiner Lieblingsdetails in Arkham Asylum war die fortschreitende Zerstörung des Batsuit, und hier legt Arkham City noch mal ein paar Schippen drauf. Bats sieht nach dem Showdown mit Strange wirklich aus, als wäre er durch die Hölle gegangen. Eine Extra-Nennung bekommen natürlich die Riddler-Rätsel (auch wenn mir einige Insta-Death-Todesfallen schon wieder sauer aufgestoßen sind). Ein Großteil beschränkt sich zwar auf das mal mehr, mal weniger komplizierte Einsammeln der Fragezeichen-Trophäen, aber es ist die schiere Masse, die mir hier Respekt abnötigt. Was mich allerdings wieder etwas stört, ist die Methode, die nicht gefundenen Sachen auf der Karte zu markieren. Man tut dies, indem man gewisse Fieslinge in Prügeleien oder Predator-Challenges bis zuletzt stehen läßt und dann verhört. OK, es ist eine coole Idee, die schnöden “Riddler Secrets Maps” aus Arkham Asylum gegen etwas einzuwechseln, was mehr Arbeit vom Spieler verlangt, aber wären da ein paar RÄTSEL nicht sinniger gewesen?
Und mit diesem Fragezeichen verabschiede ich mich erstmal. Alfred muß mir noch den Asbest-Batsuit rauslegen.