Review: Need For Speed Nitro
- August 29th, 2010
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Hm, der zweite NFS-Post in Folge? Yup, so kanns gehen, wobei das Fazit allerdings exakt umgekehrt ist. War ich von NFS World ziemlich angenervt, entpuppt sich das Wii-exklusive NFS Nitro als Spaß sondersgleichen. Hat vielleicht was damit zu tun, daß Black Box diesmal nicht involviert sind?
Von Anfang an: NFS Nitro wurde speziell für die Wii entwickelt, was mehrere positive Vorzeichen mitbringt. Zum einen ist die Engine komplett neu und nicht auf Biegen und Brechen angepasst. Zum anderen wurde komplett auf eine Open-World-Komponente verzichtet. Für manche mag das ein Nachteil sein, aber ich empfand die offenen Städte in Underworld 2, Most Wanted, Carbon und Undercover als absolut unnötig. Es gab ja nix zu tun, außer von Rennen zu Rennen oder zum Autohändler zu orgeln - und das hätte man auch locker menügesteuert abwickeln können. Drittens hat man die Ernsthaftigkeit zurückgeschraubt. NFS Nitro ist ein reinrassiger Funracer, komplett ohne NFS Shift-mäßige Sim-Anteile. Hier regiert König Vollgas, und Herzog Drift gibt sich die Ehre. Die kompromisslose Hingabe zum Spaß zeigt sich auch in der Präsentation. Comic-Charaktere ersetzen die möchtegern-hippen Schauspieler der letzten NFS-Teile, und sogar die Autos wurden verknuffelt und mit überzogenen Proportionen versehen. Ein Look, der dem Spiel ausgezeichnet zu Gesicht steht. Da ich keine gescheiten Screenshots zusammenkriege, hier einfach das Intro:
Die Spielgrafik kommt nicht ganz an die Qualität der CG-Sequenzen heran, aber dafür läuft sie schön flüssig - und der Graffiti-Effekt sieht einfach schick aus.
Zum Sound gleich eins vorweg: Bis auf knapp fünf oder sechs (Rock-)Songs ist der Soundtrack totale Grütze. Ich hab ja prinzipiell nix gegen Rap oder Hip Hop, aber viele der elektronischen Titel klingen, als hätte man einen Haufen Keyboards und Drumcomputer die Treppe runtergeworfen und den Mist aufgenommen. Schade, daß die Wii keine eigene Playlist-Funktion wie die 360 bietet, denn hier wäre sie absolut nötig. Naja, dann halt Musik runterdrehen und Sounds lautermachen. Wenigstens hier kann das Spiel vollkommen überzeugen. Die Motoren dröhnen schön voluminös, und auch die restliche Soundkulisse ist total in Ordnung.
Steuerungstechnisch unterstützt NFS Nitro alles, womit man an der Wii Gas geben kann. Egal ob jetzt Remote Pur, Remote + Nunchuck, Wii Wheel, GC- oder Classic-Controller - das Spiel erlaubt die Verwendung jedes Eingabegerätes. Allerdings nicht die freie Konfiguration, was für mich als alten 360-Raser etwas nervig ist. Immerhin bin ich es gewohnt, mit den Triggern zu beschleunigen und zu bremsen, die Classic-Conroller-Konfig verlangt aber, daß ich mit dem Equivalent der LB/RB-Schultertasten vorlieb nehmen soll. Kleines Ärgernis, kann man sich aber dran gewöhnen.
Spielerisch gibt’s einen interessanten Querschnitt durch die letzten NFS-Iterationen. Die obligatorischen Rundenrennen bekommen Gesellschaft von Drag-, Drift, Eliminator- und Geschwindigkeits-Events. Einige kleine Detailverbesserungen machen grade die Drag-Events erheblich spaßiger. Dank eines leisen Klingelns am optimalen Schaltpunkt kann man sich komplett auf die Strecke konzentrieren, ohne ständig den Drehzahlenmesser im Auge behalten zu müssen. Die Events verteilen sich auf fünf Städte und drei Rennklassen. Und hier kommt die einzige echte Krux an NFS Nitro: Es gibt zu wenig individuelle Strecken. Pro Stadt gibt’s maximal zwei Rundkurse und einen Drag Strip, die dann in jeder Rennklasse neu durchgenudelt werden.
Der Fortschritt im Spiel wird ganz clever festgehalten. Es gibt für jedes Event Sterne, bei den Rennen bis zu fünf (drei für Podium-Plätze, einen für Style, einen für schnelle Runden), bei den Mini-Events (Drag, Drift, Speed) bis zu drei. Alle paar Sterne schaltet man neue Autoteile, Events, Autos und Städte frei. Hat man genug Sterne zusammen, darf man am Grand Prix in der jeweiligen Rennklasse (Bronze, Silber, Gold) teilnehmen. Gewinnt man den, steigt man eine Rennklasse auf, in der es dann neue Autos, aber die gleichen Städte, Strecken und Events gibt. Für jede halbwegs gute Platzierung gibt’s außerdem Kohle, die man dann in den Fuhrpark investieren darf.
Die recht schlanke Streckenauswahl wird durch ein großzügiges, hübsch individualisierbares Fahrzeug-Sortiment ausgeglichen. Klar sind auch die üblichen Verdächtigen wie Lambo Gallardo, Audi TT/R8, diverse Porsches oder Corvettes dabei, aber es gibt auch genug Exoten (wie den Renault R4L, den original-Käfer, den Typ-2-VW-Bulli oder den Tesla Roadster), die man nicht an jeder Racer-Milchkanne findet. Im Lauf des Spiels schaltet man, ähnlich wie in jedem NFS seit Underground, Tuning-Teile und Vinyls frei, mit denen man seine Karre personalisieren kann. Zusammen mit der Morph-Option für Teile des Bodykits und der Cartoon-Optik kommen da einige wirklich coole Karren bei rum. Performance-Upgrades sind diesmal komplett abwesend, dafür liegen die Fahrzeuge in den einzelnen Klassen nah genug beieinander, daß man selbst am Ende einer Rennserie noch durchaus mit dem Basis-Schlitten mitrodeln kann und eine gute Figur macht.
Die Fahrphysik, sofern man sie denn so nennen kann, ist gnadenlos auf Arcade-Gekessel ausgelegt. Das namensgebende Nitro ist hier extrem wichtig, und ähnlich wie in Ridge Racer gibt’s für Drifts und Drafts (Windschattenfahren) den lebenswichtigen Saft. Außerdem kann man, wenn man geschickt am Start die Drehzahl im grünen Bereich hält, schon ein wenig Nitro vortanken, um dann auf blauen Feuersäulen am Rudel vorbeizuzischen. Sammelt man lange genug, füllt sich eine zweite Nitro-Leiste, und durch doppelten Druck auf die Nitro-Taste löst man den giftgrünen Super-Nitro aus, der zwar kürzer ballert, aber dafür erheblich heftiger anschiebt. Im Gegensatz zu anderen Racern muß man in NFS Nitro ein wenig auf die Umgebung achten. Kassiert man zu viele Rempler, verliert man nach und nach die Nitro-Tanks. Zum Glück sind in den meisten Events großzügig Schraubenschlüssel verteilt, mit denen man seinen Wagen wieder auf Vordermann bringen kann. Um die Rennen noch chaotischer zu gestalten, haben die Entwickler in jedem Rennen (außer Drag-Events) die Polizei am Start, die ab einem gewissen Punkt in’s Geschehen eingreift und für noch mehr rollende Hindernisse sorgen. Und auch hier weicht NFS Nitro etwas vom Gewohnten ab, denn man kann die Cops dank Powerup auf seine Mitraser hetzen und gleichzeitig selbst uninteressanter werden.
Ein weiteres kleines Manko ist das Fehlen eines Online-Multiplayer-Parts. Der lokale Multiplayer ist ziemlich reichhaltig ausgefallen. Man kann mit bis zu vier Spielern im Splitscreen kesseln, vorausgesetzt, es sind genug Wiimotes vorhanden. Spaßigerweise klappt das sogar im Karrieremodus, so daß alle Spieler Kohle verdienen und Sterne sammeln.
Die Rennen sind alles in allem sehr kurzweilig geraten, der Schwierigkeitsgrad sowohl der zu erreichenden Punkte- und Zeitfenster, als auch der KI sind absolut OK, das berüchtigte NFS-Gummiband ist entweder abwesend oder so subtil, daß es mir bis jetzt nicht negativ aufgefallen ist.
Fazit: Daß EA mich mal positiv überraschen würden, war so nicht zu erwarten. Allein die Ankündigung, daß Dead Space 2 jetzt auch Quick-Time-Events benutzen würde, hat mich ziemlich negativ berührt. Umso schöner, daß NFS Nitro so ein Raser-Leckerli geworden ist. Spötter nennen es NFS Mario Kart, aber ich finde, daß es sich dabei um einen herrlich schnörkellosen Funracer handelt. Und Fun gab’s in einem Need For Speed in letzter Zeit doch eher selten und sporadisch. Wer eine Wii sein Eigen nennt und hin und wieder mal keine Karts über die Rennstrecke scheuchen will, kann hier bedenkenlos zugreifen, zumal es das Spiel oft genug schon für unter 20 Euro zu haben gibt.