Nach meinen ernüchternden Erfahrungen mit Split/Second war ich doch gespannt, ob zumindest BLUR die nach der Beta-/Demophase geschürten Erwartungen halten konnte. Zumal IGN das Spiel schon zwei Tage vor Release mit einem ziemlich niederschmetternden Review zersägten. Umso gespannter war ich, als mein Päckchen von der Spielegrotte eintrudelte und ich das Spiel in die 360 packen konnte.
Ums kurz zu machen: Blur macht einen Heidenspaß. Es gibt (natürlich) keine großartige Story, außer ein paar Tutorial-Videos kein großartiges Drumherum, stattdessen konzentriert sich das Spiel auf die Essenz: Rasen und den strategischen Einsatz von Power-Ups.
Es ist ja nichts Neues, daß sich Spiele eine Art “Erfahrungspunkte-System” zunutze machen, um dem Spieler neue Inhalte zugänglich zu machen. Das fing ziemlich groß mit Call Of Duty 4 an und wurde dann fast schon zu einer Epidemie, mit Rainbow Six Vegas 2, H.A.W.X. und sogar Need For Speed: SHIFT, nur um ein paar prominente Beispiele zu erwähnen. Blur bedient sich ebenfalls einer solchen Mechanik. Für das Einsetzen von Power-Ups, und gekonnte Fahrmanöver erhält der Spieler “Fans”. Sammelt man genug Fans, erhöht sich der “Fan Status” und neue Autos (und Upgrades im Multiplayer) werden freigeschaltet.
Im Einzelspielermodus spielt man gegen eine Reihe von Rivalen, die jeweils über eine Gruppe von sieben Events herrschen. Der Spielfortschritt in der Karriere wird durch sogenannte “Lichter” bestimmt. Platziert man sich in einem Event unter den Top 3, bekommt man je nach Platzierung zwischen 3 bis 5 Lichtern gutgeschrieben. Außerdem kann man durch das Erreichen bestimmter Fan-Mengen pro Event noch ein weiteres Licht verdienen. Und zusätzlich befindet sich auf jeder Strecke ein sogenannter “Fan Run”. Wenn man durch das entsprechende Icon fährt, ploppen insgesamt 12 Tore vor einem auf. Durchfährt man diese zügig, hagelt es zum einen eine ganze Menge Extra-Fans, zum anderen bekommt man - bei erfolgreicher Beendigung des Rennens - ein weiteres Licht gutgeschrieben.
Als wäre das nicht schon fordernd genug, stellt jeder Rivale noch 4 Bedingungen, die zu erfüllen sind, damit er sich einem zum finalen Showdown stellt. Das reicht von “überhole x Autos” über “benutze Powerup Y so und so oft” bis hin zu ganz spezifischen Anforderungen wie “Zerstöre in Event 6 ein Fahrzeug und beende das Rennen als Erster”.
Das sorgt im Großen und Ganzen für ein spaßiges Fahrerlebnis, grade wenn man mitten im Pulk über die Strecke donnert, den Fan Run auslöst und sich dann unter konstanten Beschuß durch die Tore fädeln muß. Die KI stellt sich ordentlich an, durch ein dezentes Rubberbanding fährt man konstant im Pulk - und im Gegensatz zu Split/Second kann man durchaus auch den Schwierigkeitsgrad nach unten korrigieren, wenn man zu sehr auf die Mütze bekommt.
Im Gegensatz zu Split/Second liegt mir das Fahrverhalten der Fahrzeuge erheblich mehr. Die Autos haben ein angenehmes Gewicht, und selbst die Kisten, die als “drifty” klassifiziert wurden, lassen sich mit ein wenig Fingerspitzengefühl zielsicher durch Kurven und Feindbeschuß navigieren. Man kämpft tatsächlich nur gegen seine Gegner, aber nie gegen das eigene Auto.
Eine Extra-Dimension bekommt das Spiel dadurch, daß man nach getaner Arbeit eine Herausforderung an einen Freund senden kann, der das grade Erledigte überbieten soll. Hat man also z.B. ein Rennen um Haaresbreite als Erster abgeschlossen und z.B. 1000 Fans verdient, kann man einem Kollegen auf der Freundesliste eine Herausforderung schicken, daß er das Rennen als Erster mit mehr als 1000 Fans abschließen soll. Sozusagen Offline-Multiplayer. Eine nette Idee, zumal diese Herausforderungen meines Wissens auch zwischen Gold- und Silbermitgliedern ausgetauscht werden können.
Und dann wäre da noch der Multiplayer. Nur soviel: Ich bin ja nicht wirklich jemand, der sich freiwillig in Ranglistenspiele begibt oder stundenlang mit wildfremden Leuten online zockt. Lost Planet 2 hat mir diesbezüglich schon angedeutet, wieviel Spaß das durchaus machen kann, und wenn ich im Multiplayer von Blur mehr Zeit verbringe als in der Singleplayer-Abteilung, dürfte das ein Indikator dafür sein, WIE gut der Mehrspieler-Modus tatsächlich ist.
Im Multiplayer gibt es keine Lichter, um die man sich sorgen müßte, stattdessen ist es wie in der Musik - it’s all about the fans. Im Gegensatz zum Einzelspielermodus spielen Upgrades - sogenannte Mods - eine erheblich größere Rolle. Im Einzelspieler kann man grade mal ein Upgrade installieren, wodurch man sich einen kleinen Vorteil gegenüber der KI herausholt, im Multiplayer sind die Mods sozusagen das, was in einem Egoshooter wie Battlefield die Klassen sind. Es gibt drei Slots, in die man so Nettigkeiten wie erhöhten Ramm-Schaden, bessere Schutzschilde oder ein Upgrade für mehr Fans pro Rennen einsetzen kann. Für jede Kategorie gibt’s - nach und nach freigeschaltet - bis zu acht verschiedene Mods, so daß wirklich jeder seinen eigenen Spielstil kultivieren kann.
Mit steigender Fanzahl erweitert sich natürlich auch der Fuhrpark und die Anzahl der Playlists, in denen man antreten kann. Hat man am Anfang nur Zugang zur “Fahrschule”, wo sich Fahrer der Stufen 1-10 herumtreiben, kommt schon recht bald der Mario-Kart-mäßige Battle-Modus (Motor Mash) hinzu, ebenso wie eine reine Renn-Liga (ohne Powerups) bis hin zu Team-Events. Das Highlight sind die extrem chaotischen (und spaßigen) 20-Mann-Rennen. Die Mitspieler sind durch die Bank weg sehr umgänglich, auch wenn man manchmal nicht mehr weiß, wer jetzt alles auf einen feuert, hat man kaum Frusterlebnisse. Selbst auf dem letzten Platz nimmt man noch ein paar Hundert Fans mit, und wenn man dann noch die eine oder andere Extra-Herausforderung erledigt hat (die ein wenig an die Anforderungen erinnern, die die Rivalen im Einzelspieler stellen), kann man selbst im Mittelfeld platziert noch ordentlich Spaß haben.
Technisch macht Blur eine gute Figur. Die Grafik reicht nicht ganz an Split/Second heran, dafür ist das Geschwindigkeitsgefühl erheblich höher, und durch die neonfarbigen Powerups und einige schicke Effekte im Hintergrund wirkt das Geschehen fast schon überwältigend. Die Fahrzeugmodelle sind schön anzusehen, der Fuhrpark ist bunt gemischt - vom Serien-Audi (TT) bis hin zu einigen Exoten (wie dem Golf W12 oder dem Königsegg CCGT) und die Strecken bieten eine gute Mischung aus offenen Raserpisten und verschnörkelten Technik-Kursen. Der Sound ist zweckdienlich, mit einigen netten Details. Jedes einzelne Auto hat einen eigenen, charakteristischen Motorsound - die Käfer z.B. haben das typische “Rasseln” im Motorsound. Die Musik ist - von den Menüs abgesehen - standardmäßig abgeschaltet. Macht man sich die Mühe und stellt im Optionsmenü unter “Audio” auf “Lizenzmusik an”, bekommt man angenehm unaufdringliche Drum’n'Bass-Tracks zu hören, die perfekt zum Renngeschehen passen, aber sicher genau so Geschmackssache sind wie der Soundtrack zu Split/Second.
Als Fazit bleibt mir nur zu sagen, daß Blur ein fantastisches Rennspiel geworden ist. Wer mal was anderes als eine Sim zocken möchte und kein Problem mit bunt leuchtenden Power-Ups hat, kann hier bedenkenlos zugreifen. Der Singleplayer bietet ordentlich Umfang und wer auch nur ein latentes Interesse an gelgentlichen Online-Rasereien hat, macht hier sicher nix falsch.